Es wäre vermessen, sich zurückzulehnen, sobald der Autopilot eingeschaltet wird. Er nimmt uns zwar die anstrengende Arbeit ab, das Flugzeug während mehreren Stunden auf der exakten Flughöhe und Route zu halten, muss aber ständig überwacht werden. Auch auf der Reiseflughöhe gibt es eine Vielzahl von Arbeiten, die erledigt werden müssen, und ja, es bleibt genügend Zeit für Kaffee und Gespräche.
Auf der Reiseflughöhe angekommen führen wir als erstes einen Fuel Check durch und überprüfen, ob alle Systeme im grünen Bereich operieren. Auf unserem Operational Flight Plan, kurz OFP vergleichen wir periodisch die berechnete Flugzeit mit der tatsächlichen Flugzeit. Ebenfalls überprüfen wir, ob wir mehr oder weniger Treibstoff bis zu diesem Zeitpunkt verbraucht haben. So behalten wir die Übersicht, ob operationell alles wie geplant verläuft. Auf unseren Displays können wir zusätzlich die verschiedenen Techniksysteme und deren Parameter einblenden. So können wir frühzeitig Abnormalitäten feststellen, bevor das Flugzeug eine Warnung generiert. Normalerweise läuft aber alles im grünen Bereich.
Zum Gesamtüberblick gehört auch dazu, das Wetter der umliegenden Flugplätze zu überprüfen. Sollte aus irgendeinem Grund eine schnelle, frühzeitige Landung von Nöten sein, haben wir so bereits eine Vorahnung, welcher Flughafen wettertechnisch am besten geeignet ist. So könnten wir uns das Leben in einer potenziell stressigen Situation erheblich einfacher machen. Ausserdem ist es gesetzlich notwendig, auf einem En-Route Teil der Strecke Ausweichflughafen verfügbar zu haben, welche man im Notfall anfliegen kann. Es gibt Tage, an denen herrscht überall strahlender Sonnenschein, dann ist diese Arbeit schnell erledigt. An einem winterlichen Nebeltag muss man manchmal zwei drei Flughäfen absuchen, oder sich überlegen, unter welchen Bedingungen man den Flughafen anfliegen kann oder nicht.
Nicht zu unterschätzen ist natürlich die unterste Stufe der Maslowschen Bedürfnispyramide. Namentlich gemeint ist hier das Essen. Da die Zeit für Crews am Boden oft keine Reserven für grössere Verpflegungspausen beinhaltet, geschieht dies in der Luft. Wenn es die Arbeitsbelastung also zulässt, übernimmt ein Pilot die Steuerung und den Funk des Flugzeuges, während sich der andere Pilot mit Energie versorgt. Vielleicht hast du schon gehört, dass die beiden Piloten nie die gleiche Mahlzeit zu sich nehmen sollten. Sollte sich im Essen etwas Unverträgliches befinden, wird so nämlich nicht die ganze Cockpitbesatzung ausser Gefecht gesetzt.
Zugegeben, die eben genannten Aktivitäten füllen einen vierstündigen Flug von Zürich nach Hurghada nicht auf. Natürlich müssen auch die Piloten mal auf die Toilette. Auf dem Weg dahin kann man zum Beispiel mit der Cabin Crew kurz besprechen, ob auch hinter der Cockpittür alles in Ordnung ist. Und natürlich schwätzen auch die Piloten untereinander über alles mögliche. Herrscht aber gerade Stille, so beginnt man sich selbst zu beschäftigen. Heutzutage sind wir anstelle von Papier mit Tablets unterwegs. Die sind aber auf keinen Fall zum binge-watchen im Cockpit! Es ist jedoch nicht verboten, in den unzähligen Manuals oder in einer digitalen Zeitschrift zu lesen. Auch gibt es offline-Apps, mit welchen man sich über die Gegend, die unter einem liegt, informieren kann.
Und während all den soeben genannten Aktivitäten gilt es immer, mit einem Ohr am Funk zuzuhören. Denn man kann jederzeit von einem Controller eine neue Anweisung bekommen, die es auszuführen gilt. Und schliesslich will man nicht derjenige auf der Frequenz sein, dem man alles dreimal sagen muss, und sich alle anderen Mithörenden darüber lustig machen.
Es gibt also genügend zu tun in einem Cockpit, auch wenn es nur geradeaus geht und der Autopilot am Fliegen ist. Trotzdem darf, und sollen auch Phasen mit tiefer Arbeitsbelastung genutzt werden, um etwas herunterzufahren. Denn stünde man ständig unter Strom, kommt man völlig erschöpft am Ziel an, wonach vielleicht ein vierstündiger Flug zurück noch zu bewältigen ist.